Ein Jahrhundert Wiener Beisl-Kultur im 7. Bezirk
- marcoschnall
- 16. Juni
- 2 Min. Lesezeit

Die Geschichte des Lokals reicht tief in die Vergangenheit des 7. Bezirks zurück – in eine Zeit, als die Seidengasse noch von kleinen Handwerksbetrieben, Arbeitern und Greißlern geprägt war. Schon in den frühen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts diente das Lokal als Branntweiner-Stube, wo die Leute nach Feierabend einkehrten, um einen „Stamperl“ zu trinken und ein einfaches Jausenbrot zu essen. Die Einrichtung war spartanisch, der Rauch dicht, die Gespräche laut – das „Mitzitant“ war ein typisches Arbeiterbeisl, wie es sie damals an fast jeder Ecke gab.
In den 1960er-Jahren begann eine neue Ära. Maria, die spätere „Mitzitant“, übernahm das Lokal von einem älteren Wirt. Mit viel persönlichem Einsatz, einem offenen Ohr für die Gäste und einem Händchen für bodenständige Hausmannskost machte sie aus dem einst schlichten Lokal eine beliebte Anlaufstelle. Der Name „Mitzitant“ – eine Mischung aus „Mitzi“ (Kurzform von Maria) und „Tant“ (Tante) – wurde von den Gästen liebevoll geprägt und bald zum festen Begriff im Viertel. Es hieß: „Geh ma zur Mitzitant, da gibt’s das beste Schnitzel!“
Das Beisl wurde zum Wohnzimmer der Nachbarschaft: Hier traf man sich nicht nur zum Essen, sondern zum Reden, Kartenspielen, Diskutieren. Arbeiter, Künstler, Studenten und Pensionisten saßen an einem Tisch, oft bis spät in die Nacht. Legendär waren die Donnerstagsabende, an denen Maria selbst Schnaps servierte und Witze erzählte. Sie war Wirtin, Schiedsrichterin, Seelsorgerin und Chefin in einer Person – eine typische Wiener Originalfigur.
Auch in den 1980er- und 90er-Jahren blieb das „Mitzitant“ ein Fixpunkt im Grätzl. Trotz Konkurrenz durch moderne Lokale hielt man hier an Traditionen fest: einfache Speisekarte, günstige Preise, keine Musik aus der Dose – stattdessen das Klirren von Gläsern, das Poltern der Stühle, das Leben.
Diese Geschichte ist es, die dem Lokal bis heute seine Seele verleiht. Auch wenn sich Gesichter, Möbel und Speisekarten über die Jahrzehnte verändert haben – die Grundstimmung, das „gewisse Etwas“, ist geblieben: Ein echtes Wiener Wirtshaus mit Vergangenheit.
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